Geschichte
Geologische Entwicklung
Urgeschichte
Römerzeit
Awaren, Franken und Bayern
Ungarische Landnahme
Hoch- und Spätmittelalter
Die Agrarkrise des Spätmittelalters
Frühe Neuzeit
Franzosenkrieg 1809 und ungarischer Freiheitskampf 1848/49
Die Entstehung der Gutshöfe
Zwischenkriegszeit
Wirtschaftlicher Fortschritt und technische Neuerungen
Die NS-Zeit in Nickelsdorf 1938-1945
Der Widerstand
Der dynamische Wandel nach 1945
Nickelsdorf als Tourismusgemeinde
Ackerbau und Heuhandel bildeten in der Vergangenheit die Haupteinnahmequelle der Bevölkerung. Dies schlug sich auch im alten Wappen der Gemeinde nieder, das noch auf Siegeln erhalten ist.
altes Wappen:
im Zentrum des Wappens steht eine Ährengarbe, die überwölbt wird von einer Sichel, dahinter sind nach links gekreuzt ein Rechen und nach rechts eine Sense, die Farben dieses Wappens können nur vermutet werden
neues Wappen:
drei weiße lilienähnliche Blüten mit grünen lanzettförmigen Blättern entspringen einem roten Herzen auf einem goldenen (gelben) Wappenschild
Geologische Entwicklung
Der Bezirk Neusiedl am See, an dessen Ostgrenze der Ort Nickelsdorf liegt, bildet den Westrand des pannonischen Beckens, das durch das Leithagebirge und die Hundsheimer Berge vom Wiener Becken getrennt ist. Dieses pannonische Einbruchsbecken entstand an einer Schwächezone des Gebirges, dort, wo der Alpen-Karpaten-Bogen von der West-Ost in die Süd-Nord Richtung umbiegt. An dieser Zone kam es während und nach der alpinen Auffaltung zu Einbrüchen des Gebirges, aus denen das heutige Wiener, Grazer und Pannonische Becken entstanden. Leithagebirge und Hundsheimer Berge blieben als lokale Erhebungen und Reste der Zentralalpen erhalten.
Die naturräumliche Gliederung des Gemeindegebietes
Nickelsdorf liegt nach der Großlandschaftsgliederung Österreichs im nordöstlichen Flach- und Hügelland, innerhalb dieser Großlandschaft, die das Weinviertel, das Wiener Becken und den österreichischen Anteil an der Kleinen Ungarischen Tiefebene umfaßt. Es lassen sich aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten mehrere Landschaftsräume unterscheiden. Nach dieser Untergliederung hat das Gemeindegebiet Anteil an vier Landschaftsräum
- die höhere Terrasse der Parndorfer Platte
- der Abfall der Parndorfer Platte
- die Tiefere Terrasse des Seewinkels und des Heidebodens
- das Niederungsgebiet der Leitha
Die klimatischen Verhältnisse
Der Osten Österreichs gehört zur pannonischen Klimaprovinz und zeigt deutlich ausgeprägte kontinentale Klimazüge. Mit weniger als 500 mm Niederschlag im Jahresmittel gehört dieser Raum zum österreichischen Trockengebiet. Entscheidend ist aber die Niederschlagsmenge während der Vegetationsperiode. Hier kann man eine von Nord nach Süd ansteigende Niederschlagsmenge erkennen. Nördlich der Leitha fallen im Jahresschnitt nur rund 250 bis 300 mm Niederschlag, dagegen auf der Parndorfer Platte etwa 300 bis 350 mm. Entgegen dem Minimum an Niederschlägen ergibt sich ein Maximum bei den Temperaturen. Auf dem Heideboden und im Bereich der Parndorfer Platte werden höchsten Sommertemperaturen gemessen. Das Julimittel beträgt hier knapp über 20 Grad Celsius. Die häufig und mit großer Geschwindigkeit auftretenden Winde sind sehr bedeutend für das Klima dieses Raumes. Nur an 13% aller Tage herrscht Windstille.
Die natürliche Vegetation
Das Gemeindegebiet von Nickelsdorf wird heute weitgehend intensiv landwirtschaftlich genutzt. Die ehemalige natürliche Vegetation ist eigentlich nur mehr in Rückzugsstandorten zu finden. Am ehesten ist diese noch im Bereich der Leithaniederung erhalten. Ursprünglich war die Leithaniederung von einem dichten Auwald bedeckt. Dieser Auwald lebt von den regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen. In unmittelbarer Nähe des Flusses und der Altarme breitet sich die Weichholzau aus. Typische Bäume dieser Au sind Weiden, Silberpappel, Schwarzpappel und Schwarzerle, die hohen Grundwasserstand und Staunässe vertragen. Die Weichholzau markiert das ursprüngliche Überschwemmungsgebiet. Etwas weiter entfernt vom Fluß liegt die sogenannte “harte Au” (Hartholzau). Dieser Bereich wird nur mehr von Katastrophenhochwässern überschwemmt und setzt sich vorwiegend aus Hartholzbäumen wie Ulme, Stieleiche, Hainbuche, Feldahorn und als Besonderheit im Osten Österreichs die nur an der March und in den Leithaauen bei Nickelsdorf vorkommenden Exemplare des Tartarenahorns und der Spitzblattesche zusammen. Genauso wenig wie die Pußta in Ungarn waren die Parndorfer Platte und die Terrassen des Heidebodens und Seewinkels ursprünglich eine offene Steppenlandschaft, sondern von einem dichten Wald bedeckt. Im gesamten pannonischen Raum herrscht in der natürlichen Vegetation der Eichenmischwald der unteren Hügelstufe vor. Dominante Baumarten sind Zerreiche, Flaumeiche, Feldahorn, Feldulme und Linde. Im nördlichen Burgenland wurden die Eichenmischwälder bereits in der Vorzeit gerodet und die Flächen landwirtschaftlich genutzt.
Veränderungen der Naturlandschaft am Beispiel der Leitharegulierung
Landschaftsprägend auf dem Gebiet des Nickelsdorfer Hotters ist die Leitha, einer der Nebenflüsse der Donau am rechten Ufer. Ihre Quellflüsse Schwarza und Pitten entspringen in den steirisch-niederösterreichischen Kalkalpen bzw. am Wechsel und vereinigen sich südlich von Wiener Neustadt zur Leitha, die ab Neudörfl mit zwei Unterbrechungen bei Zillingtal und Hof-Mannersdorf die Grenze zwischen Niederösterreich und Burgenland bildet. Die Leitha ist Grenzfluß schon seit etwa 1.000 Jahren, seit sich die Magyaren nach einem erfolglosen Einfall in die östliche Mark (Ostarichi) hinter die Leitha zurückzogen. Die Bedeutung der Leitha als Grenzfluß kann man auch daran erkennen, daß nach dem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn 1867 von Cisleithanien und Transleithanien gesprochen wurde. Erst mit dem Anschluß des Burgenlandes 1921 wurde die Grenze zwischen Österreich und Ungarn endgültig auf die heutige Linie verschoben. Das Wort Leitha ist althochdeutschen Ursprungs und läßt sich auf Litaha (Ache an der Leiten) zurückführen. Im ungarischen Sprachgebrauch hieß die Leitha früher Sar (Kot, Schlamm) oder Sarfólyo (Kotfluß), ein Hinweis auf verschlammte und versumpfte Stellen, die im Bereich der Leitha vor der Regulierung überwogen. Heute hat sich das Wort Lajta im Ungarischen allgemein durchgesetzt.
Urgeschichte
Aufgrund seiner günstigen Bedingungen war der Raum des nördlichen Burgenlandes schon sehr früh Siedlungsgebiet. Die Spuren menschlicher Einflüsse lassen sich bis in die Mittelsteinzeit (Mesolithikum) zurückverfolgen.
Der Übergang von der Mittelsteinzeit zur Jungsteinzeit (Neolithikum) war durch einen bedeutenden Wandel charakterisiert, der heute allgemein als neolithische Revolution bezeichnet wird. Diese Veränderung war eine Folge des Klimawandels im 5. Jahrtausend vor Christus, welche den Übergang zur bäuerlichen Lebensweise erleichterte, da diese Zeit mit dem Höhepunkt einer Warmzeitperiode zusammenfiel, welche ab dem 3. Jahrtausend vor Christus wieder ausklang und mit einer allmählichen Veränderung der Tier- und Pflanzenwelt einherging.
Um 2.000 vor Christus begannen in Mitteleuropa die Metallzeiten. Die ersten von Menschen bearbeiteten Metalle waren Gold und Kupfer, die allerdings aufgrund ihrer Weichheit zur Herstellung von Waffen und Gebrauchsgegenständen nicht geeignet waren. Erst Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn im Verhältnis 9 zu 1 ergab die dazu notwendige Härte. Charakteristisch für die frühe Bronzezeit sind die Funde der Wieselburger Kultur. Einer der Hauptfundorte liegt an der Kreuzung der B10 mit der Eisenbahnlinie Parndorf-Kittsee am östlichen Ortsende von Gattendorf.
Die mittlere Bronzezeit repräsentiert in unserem Raum ein Grabfund, der in der Nähe der Kreuzung der B10 mit der Ostbahn östlich von Zurndorf bei Straßenbauarbeiten gemacht wurde. Neben einem Skelett und einer Lochhalsnadel wurde ein Vollgriffschwert gefunden.
Im Jahr 1984 wurde nördlich von Nickelsdorf eine urgeschichtliche Siedlungsstelle entdeckt. Sie liegt im Bereich des Alten Dorfes (Bruckmühl) auf einer niedrigen, plateauförmigen Erhebung in der Leithaniederung. Die dort gefundenen Keramiktrümmer werden als zur Urnenfelderkultur (1.300 bis 700 vor Christus) gehörig eingestuft. Etwa derselben Epoche zuzuordnen ist ein Grabfund, der ein Jahr vorher bei Planierungsarbeiten gemacht wurde.
Römerzeit
Die Eroberung Pannoniens durch die Römer wurde mit der Erhebung dieses Gebietes zur römischen Provinz im Jahre 10 nach Christus abgeschlossen. Für den Grenzschutz an der Donau wurde durch die Stationierung der 15. Legion im Wiener Becken bei Carnuntum gesorgt. Schrittweise erfolgte dann der Ausbau des Limes östlich und westlich von Carnuntum durch Anlegung von kleineren Lagern (Vindobona – Wien, Gerulata – Karlburg, Adflexum – Ungarisch-Altenburg, …) mit Besatzung zwischen 500 und 1.000 Mann.
Diese Besetzung des Ostalpenraums durch die Römer brachte kulturelle Veränderungen mit sich. Die einheimische Oberschicht übernahm ziemlich rasch Errungenschaften der neuen Herren. Im geschützten Hinterland der Städte wurden zahlreiche Villen angelegt. Die Römische Villa war ein alleinstehendes Gebäude oder eine Gebäudegruppe, die weiter entfernt von größeren Siedlungen eine selbständig wirtschaftende Einheit bildete. Errichtet wurden die Villen bevorzugt an sanft abfallenden Berghängen oder Lehnen. Häufig wurden römische Villen in der Nähe älterer Siedlungen der einheimischen Bevölkerung oder an zerstörten Siedlungsplätzen errichtet.
Im August 1988 stieß der Landwirt Werner Hutfleß aus Nickelsdorf beim Pflügen im Ried Schlagbühel Grundäcker auf ein spätrömisches Steinplattengrab aus dem 4. Jahrhundert, das Teil eines Gräberfeldes war, und in der Nähe eines römischen Gutshofes lag. Im Grab befanden sich die Skelette eines Mannes und einer Frau. An Grabbeigaben wurden Schmuck, Speisen, ein Krug, ein Teller und ein Glasfläschchen mit aromatischem Öl gefunden.
Bereits 1887 fand man an der Grenze zu Zurndorf zwei Gräber und einen Kindersarkophag mit Knochen und Glasstücken. Zehn Jahre später kam auf dem Feld des Paul Meixner (Parzelle Nr. 574), ebenfalls in der Ried Grundäcker, ein römischer Sarkophag zutage. Der Fundort lag südlich der Bahnlinie Wien-Budapest gegen eine kleine Anhöhe zu, in der Nähe wurde außerdem eine Frauenskelett ohne Beigaben und ein sechs mal sechs Meter großes Steinfundament gefunden.
Eine weitere römerzeitliche Siedlung war im Bereich der Hofäcker und zwar etwa an der Stelle, wo die Straße nach Kleylehof außerhalb von Nickelsdorf in der ersten Linkskurve kurz in Richtung Osten verläuft. Hier könnte es sich um einen Gutshof einfacher Form gehandelt haben. In der Umgebung wurden Münzen, Schmuck, Bronzefibeln und Teile von Gebrauchsgegenständen gefunden.
Die Reste eines dritten römischen Gutshofes im heutigen Gemeindegebiet von Nickelsdorf finden sich im Bereich des Kleylehofes in der Flur Sechsertafel. Hier wurden ebenfalls viele Münzen geborgen und die Lage des Gutshofes genau erkundet. In der Nähe wurden zwei Steinkistengräber und ein Kindergrab gefunden.
Der wichtigste Fund, der auf das Vorhandensein einer keltischen Bevölkerung lange nach der Besetzung Pannoniens durch die Römer hindeutet, sind acht Stücke einer Grabstelle aus Leithakalk, die im Herbst 1963 bei Feldarbeiten auf der Parzelle Nr. 2093 des Kleylehofes, Katastralgemeinde Nickelsdorf, zutage kamen. Die Grabstelle wurde aller Voraussicht nach in der Spätantike zerstört und als Steinkistengrab wiederverwendet.
Awaren, Franken und Bayern
Beim Kelleraushub eines Hauses in der Weinberggasse wurden im Jahre 1954 einige awarische Skelettgräber gefunden. Zwei weitere awarische Skelette wurden in einem Garten ebenfalls in der Weinberggasse beim Rigolen zerstört. Das Gräberfeld von Nickelsdorf gehörte, wie fast alle Awarengräber im Bezirk, der Zeit des Niedergangs der awarischen Macht im 9. Jahrhundert an. Nach dem raschen Verschwinden der Awaren, die hier 250 Jahre lang geherrscht hatten, wurde das Gebiet, welches ihnen von den Franken und Bayern weggenommen wurde, mit Bayern vereinigt. Allerdings hatten die Bayern zunächst nicht genügend Siedler um die Kolonisierung durchzuführen. Daher wurden slawische Zuwanderer aus dem mährischen Raum aufgenommen, um so neben bayrischen Einwanderern die Arbeitskräfte für Rodung und Urbarmachung zu erhalten.
Ungarische Landnahme
Die rund hundertjährige Herrschaft des ostfränkischen Reiches – seit der Zerstörung des Awarenreiches – über Pannonien, geriet durch das Eindringen des ursprünglich aus Westsibirien stammenden Volkes der Magyaren in Gefahr. Am 9. Juli 907 wurde in der Schlacht bei Preßburg (Bratislava) ein bayrisches Ritterheer von den Magyaren vernichtend geschlagen. Das Markensystem (Markgrafschaften – zur Sicherung und Erweiterung des Reichsgebietes eingerichtete Grenzräume) östlich der Enns brach zusammen. Erst nach der Reorganisation des Deutschen Reiches und der darauffolgenden Niederlage der Magyaren am Lechfeld (955) begann man den Markengürtel allmählich von Westen her wieder einzurichten.
Die Niederlage am Lechfeld führte zu einem tiefgreifenden Wandel bei den Magyaren. Unter dem ungarischen Großfürst Geza (972 bis 997) begann nach der Seßhaftwerdung die Christianisierung. Sein Sohn und Nachfolger König Stephan, der Heilige, setzte erste Maßnahmen zur Errichtung kirchlicher und staatlicher Verwaltungseinrichtungen.
Im 10. und 11. Jahrhundert wurden neben der spärlichen einheimischen Bevölkerung sogenannte Grenzwächter an strategisch wichtigen Vorposten angesiedelt. Dazu stellten die ungarischen Könige sehr bald unterworfene Völker aus anderen Reichsteilen ab. Dies waren in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Petschenegen (Bissener). An sie erinnert noch der ungarische Ortsname Bizonya (Pallersdorf), ein Ort zwischen Rajka (Ragendorf) und Hegyeshalom (Straßsommerein). Auch auf Nickelsdorfer Gemeindegebiet hat sich die Erinnerung an die Petschenegen gehalten. So soll der Name der Ried Pötschring von den Petschenegen herstammen. Weitere Petschenegensiedlungen waren im Bereich der Orte Kittsee, Gattendorf, Mönchhof und Winden. Nach der Niederschlagung eines Aufstandes um 1074 wurde der Großteil dieses Volkes vernichtet, oder kam in den Sümpfen des Neusiedlersees ums Leben. Das von den Petschenegen freigewordene Land wurde, soweit es nicht wie Mönchhof, Winden oder Königshof die Zisterzienser übernahmen, der Burg Wieselburg angeschlossen.
Die Ausweitung des Machtbereiches von Wieselburg war eine Reaktion der ungarischen Könige auf die veränderte Situation an ihrer Westgrenze. Die Ausdehnung der ottonischen Ostmark (Ottonen, auch Liudolfinger, sächsisches Adelsgeschlecht und deutsche Herrscherdynastie, die das Heilige Römische Reich länger als ein Jahrhundert regierte – 919 bis 1024) nach Osten beschwor mehrere Konflikte herauf, bis 1056 die Grenze an der March und Leitha von den Ungarn als endgültig und unverrückbar garantiert wurde.
Hoch- und Spätmittelalter
Die nach dem Zusammenbruch des Awarenreiches im nördlichen Burgenland siedelnden Slawen konnten sich trotz der fränkischen und ungarischen Landnahme bis ins 13. Jahrhundert hier halten. Ihre Spuren sind heute noch in manchen Ortsnamen faßbar. Zwei dieser Orte sind Zurndorf (vom slawischen Personennamen Zaran) und Turdemech (Turdemicz, Thurdamesz, Tordamez) im Gemeindegebiet von Nickelsdorf. Die letzte Erwähnung des Ortsnamens Tordamez erfolgte im Jahre 1359. Nach diesem Zeitpunkt kam nur mehr der deutsche Name Nickelsdorf vor. Dies hatte seine Ursache im Einströmen deutscher Siedler aus Österreich, die seit dem 12. Jahrhundert in mehreren Wellen nach Westungarn eindrangen und die dünne slawische Siedlungsschichte aufsogen.
Im Zuge der von den Grundherren gesteuerten mittelalterlichen Kolonisationstätigkeit entstand ein dichtes Siedlungsnetz im Komitat Moson. Die Siedlungen wurden zumeist als Anger- oder Straßendörfer mit Gewannflur gegründet. Nickelsdorf wurde in der Form eines Schmalangerdorfes angelegt. Der historische Ortskern befindet sich im Bereich der Mittleren Hauptstraße. Im Westen war der Ort durch die Steigung zur Parndorfer Platte begrenzt, wo an einer erhöhten Stelle außerhalb des Ortes die erste Pfarrkirche errichtet wurde. Die Häuser des Ortes reihten sich links und rechts entlang des Fahrweges nach Zurndorf (heute B10) auf. Aus der Anlage der Häuser kann geschlossen werden, daß der älteste Bereich des Ortes auf der südlichen Häuserzeile zwischen den Häusern Mittlere Hauptstraße 16 und Mittlere Hauptstraße 66 lag. Die östlich anschließenden Häuser wurden, ebenso wie die westlich anschließenden Häuser der Mittleren Hauptstraße, im Zuge der Ortserweiterungen ab dem 17. Jahrhundert errichtet. Der älteste Teil der nördlichen Häuserzeile lag zwischen dem Haus Mittlere Hauptstraße 63 und dem Haus Mittlere Hauptstraße 15. Dieser Ortskern war im Norden und Süden von einem Zaun und einem Graben umgeben, der identisch sein dürfte mit dem Grabensystem, daß die heutigen Hintausgassen der Mittleren Hauptstraße entwässert. Die Häuser selbst reichten nicht so weit.
Nach dem Katasterplan von 1880 hatte eine Hofstelle eine Länge von rund 90 m und eine Breite zwischen 20 und 30 m. Unmittelbar hinter der Hofstelle schloß das individuell genutzte Gartenland an. Es waren dies sehr gute Ackerstandsorte auf Schwarzerdeböden. Ein kleiner Rest dieser ehemaligen Hausgärten ist noch im Bereich der Weinberggasse und der Fasangasse erhalten. Die Hausgärten nördlich der Hauptstraße sind heute zumeist verschwunden. Sie befanden sich in den Parzellen der Gartensiedlung, die schon im 19. Jahrhundert zu Lagerplätzen für Heu und Stroh umgewandelt und nach dem zweiten Weltkrieg als Bauplätze verkauft wurden. Nur mehr die Namen Obere, Mittlere und Untere Gartensiedlung, sowie die im Bereich der Oberen Bahnunterführung liegenden Söllner- und Kleinhäuselgärten erinnern noch an die ehemalige Nutzung.
Ein weiterer Gartenstandort befand sich im Bereich der tiefgründigen Feuchtschwarzerdeböden, im niedrigsten Bereich der Hausäcker, und wurde “Krautgärten” genannt. Diese Gärten wurden während der Kommassierung von 1913 bis 1930 aufgegeben und den Ackerparzellen eingegliedert. Der Name Krautgärten weist auf ein wichtiges bäuerliches Zusatznahrungsmittel der Vergangenheit hin. Daneben waren noch Bohnen, Linsen, Erbsen und verschiedene Rüben- und Kohlarten als zusätzliche Nahrung üblich.
Die ersten konkreteren Angaben über die Häuserzahlen von Nickelsdorf finden wir in der sogenannten Dicakonskription (Zählung zur Einhebung der Kriegssteuer) des Jahres 1532. Der Dicator (Steuereinnehmer) Johannes Cailer, Mitglied der Adelstafel des Komitates Moson, bereiste im Auftrag des Hauptmannes von Ungarisch-Altenburg die Orte des Komitates um den 11. November 1532. Nach seinen Aufzeichnungen gab es in Nickelsdorf 6 Fumi (Rauchfänge), die in diesem Falle gleichzusetzen sind mit 6 Porten. Das lateinische Wort “Porta” bedeutete ursprünglich das Hoftor, durch das ein Bauernwagen in eine Hofstelle hineinfahren konnte. Jede Porte mußte eine bestimmte Steuer zahlen, die vom Ortsrichter (Judex) eingehoben und dem Dicator übergeben wurde.
Es ist anzunehmen, daß man zwischen 1530 und 1550 für eine Porta bis zu zwei Haushalte nehmen muß, später auch bis zu vier, die nun gemeinsam die Steuer bezahlten.
Dicakonskription 1532 für Miklosfalu (Nickelsdorf) zur Herrschaft Ungarisch-Altenburg gehörig:
fumi: 6
judex (Richter, Dorfvorsteher): 1
pauperes (Arme, die steuerfrei waren): 6
deserta et anbuste (verwüstet und verbrannt): 9
Die Türkenkriege der Jahre 1529 bis 1532 veranlaßten die ungarische Verwaltung, die Anzahl der öden (zerstörte, leerstehende) Häuser jedes Dorfes in die Zählung aufzunehmen. Nach dieser Aufstellung kann man für Nickelsdorf eine Zahl von rund 30 Häuser annehmen, von denen 9 zerstört und 6 armutshalber von der Zahlung der Steuer befreit waren. Im Jahre 1538 konnte der Dicator 6 Porten, 1 Judex, nur mehr 2 Arme und nur mehr 4 öde Häuser zählen. Die rasche Erholung nach den Türkenkriegen zeigte sich darin, daß es 1538 bereits 3 Libertini (Freie) gab.
Die zum Straßen- oder Angerdorf gehörige Flur war die Gewannflur. Der Name leitet sich daher, daß die Ackerflächen in drei große Riede, den sogenannten Gewannen eingeteilt war. Die einzelnen Riede wurden in Parzellen unterteilt, von denen jeder Bauer in jeder Ried einen seiner Hofstelle entsprechenden ganzen, halben oder sonstigen Acker hatte. Die Aufteilung erfolgte so, daß die Hausnachbarn auch Feldnachbarn waren. Daneben versuchten die Bauern Gewanne mit möglichst einheitlicher Bodengüte auszusondern. Die Lage der mittelalterlichen Gewanne ist leider nicht bekannt.
Die erste Nennung und Lagebeschreibung von Feldern benennt das Urbar der Herrschaft Ungarisch-Altenburg aus dem Jahre 1546. Aus diesem Urbar geht hervor, daß die Äcker von Nickelsdorf im Sinne der Dreifelderwirtschaft bearbeitet wurden. Dies bedeutet, daß in den drei Gewannen eine jährliche Rotation von Wintergetreide, Sommergetreide und Brache, die als Weide genutzt wurde, stattfand. Der Vorteil gegenüber der älteren Feld-Graswirtschaft war, daß nicht mehr 50% des Bodens als Brache liegengelassen wurde, sondern nur mehr ein Drittel des unter Pflug stehenden Ackerlandes. Der Zweck der Brache war die Erholung des Bodens. Zusätzlich wurde durch die Beweidung die Brache gedüngt und damit dem Boden Nährstoffe zugeführt. Die bäuerliche Arbeit wurde besser über das Jahr verteilt, die Arbeitskraft von Mensch und Tier konnte besser genutzt werden. Dazu ergab sich als weiterer Vorteil die Verringerung der Gefahr von Mißernten. Fiel einmal das Sommergetreide aus, so konnte die Gefahr einer Hungersnot durch eine gute Ernte des Wintergetreides wieder ausgeglichen werden. Die damals üblichen Sommergetreidearten waren Gerste, Hafer, Hirse und Dinkel, während im Wintergetreidebau Roggen, Weizen und “Halbtraid” (eine Mischung aus Weizen und Roggen) verwendet wurden.
Der einzelne Bauer unterlag einer strengen Flurordnung, d. h.: der Richter oder die Dorfgemeinschaft bestimmte, wann welche Arbeit auf welchen Feld getan werden mußte. Die Parzellierung der Gewanne machte es dem einzelnen Bauer unmöglich, aus der Flurordnung auszuscheren, da er seine Felder in der Regel nur über die Felder seiner Nachbarn erreichen konnte. Falls er sich nicht an die Erntetermine hielt, mußte er damit rechnen, daß sein Getreide vom Vieh, das auf die Stoppeln zum Weiden getrieben wurde, abgefressen werden konnte.
Im Gegensatz zu den Äckern, die eingeschränkt individuell genutzt wurden, wurde die Viehweide genossenschaftlich genutzt (Allmende). Die Nickelsdorfer Viehweide lag am westlichen Ortsrand im Bereich des “Haidls”. In diesem Bereich wurden die Schweine aufgetrieben. Große Sommerweideflächen lagen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit auch in den Rieden Kukuruzäcker (höhergelegene Teile), Neubruchäcker, Neurisse (der Name weist auf das Umackern im 19. Jahrhundert hin), Saidaäcker und in den Prädien des heutigen Paula-, Schmidt- und Kleylehofs. Das Winterheu mähte man in den Feuchtwiesen an der Leitha. Hier erinnert noch eine Reihe von Namen an die damalige Nutzung. In den Rieden Hoflus, Leithalus, Sandweglus, Söllnerlus und Langer Lus wurden die Heuparzellen alljährlich verlost. Der Name Lus oder Lußt leitet sich von dem “durch das Los zugefallene Land” her. Ebenso erinnern die Riednamen, die auf – mahd enden an die ursprüngliche Wiesennutzung (Fünf-, Sechs-, Acht-, Zehn-, Zwölf-, Zwanzigmahd).
Ob die Nickelsdorfer Bauern irgendwo auf dem Hotter eigene Weingärten besaßen geht aus den Quellen nicht hervor. Es ist aber anzunehmen, daß Weinbau zumindest für den Eigenbedarf betrieben wurde. Im Bereich der heutigen Weinbauried Kukuruzäcker befanden sich zwei kleine Riede, die als Ruhlandt und Kraineräcker bezeichnet wurden. Vielleicht ein Hinweis auf Weinbau.
Abgeschlossen wurde das spätmittelalterliche Flurnetz durch die Waldungen. Von den Flurnamen erinnern noch die Namen Große Waldäcker und Rustenäcker, an die Waldungen auf der Parndorfer Platte, die nach der Besiedlung im Mittelalter noch bestanden. Im Bereich der Leithaau blieb der Wald seit der frühen Neuzeit auf die heutigen Waldriede beschränkt (Kroatisch Wald, Nunkovitsch, Alte Hölzer, Verbotene Hölzer, Fasangarten, Solnerwald). Nur die Neuen Hölzer wurden später als Wald rückgewidmet. Es könnte dies im Zusammenhang mit dem Tausch des herrschaftlichen Nunkovitsch gegen die Fasangärten im Jahre 1767 stehen.
Die Agrarkrise des Spätmittelalters
Im Zuge der hochmittelalterlichen Besiedlung unseres Raumes entstand ein weit dichteres Siedlungsbild als wir es heute im Bezirk Neusiedl am See kennen. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts stieg die Bevölkerung und damit die Zahl der Siedlungen stark an. Allein im Bezirk Neusiedl am See gab es damals um rund zwanzig Ortschaften mehr als heute. Ein Ansteigen der Bevölkerung bedeutete auch eine höhere Nachfrage nach Getreide. Dadurch wurden auch extreme Standorte besiedelt und unter Pflug genommen. In der ab der Mitte des 14. Jahrhundert einsetzenden spätmittelalterlichen Agrarkrise wurden diese Orte wieder verlassen. Sie wurden zu Wüstungen.
Als Ursache des Wüstfallens im Spätmittelalter hatte man früher vielfach angenommen, daß die Verwüstungen durch die Türken an der Verödung schuld seien. Auch das Bedenkbuch der katholischen Pfarre Nickelsdorf, das im 19. Jahrhundert aufgezeichnet worden ist, berichtet ähnliches über die Zerstörung des Fischerdörfls, der “Vorläufersiedlung” des heutigen Nickelsdorf. Anhand der Dicakonskription des Jahres 1532 konnte Dr. Felix Tobler aus dem Burgenländischen Landesarchiv die Frage, ob die Verödung von Orten wirtschaftliche Ursachen hatte, oder ob es sich um Türkenverwüstungen handelte, ziemlich klar beantworten. Siedlungen, deren Verödung aufgrund ökonomischer Ursachen erfolgte und wo der Verödungsprozeß schon abgeschlossen war, wurden vom Dicator (Steuereinnehmer) nicht mehr in die Steuerliste aufgenommen. Andere, deren Verödung aufgrund der Türkeneinfälle erfolgte, wurden zwar namentlich in die Steuerliste aufgenommen, aber mit dem Hinweis versehen, daß die Siedlung in den letzten Jahren völlig verödet und verbrannt und vom Zahlen der Steuer befreit worden sei. Damit blieben im burgenländischen Teil der Herrschaft Ungarisch-Altenburg nur zwei Orte übrig, die durch die Türken zerstört worden waren: Pfingsttagsmarkt und Halbturn. Nur diese beiden Orte waren mit dem entsprechenden Zusatz versehen.
Daher mußte der Verödungsprozeß in den Siedlungen bereits vor dem Türkeneinfall einen Höhepunkt erreicht haben. Als Ursachen dieser Verödung waren in erster Linie ökonomische Gründe verantwortlich. Auslösendes Moment für die Agrarkrise des Spätmittelalters war der Bevölkerungsrückgang. Im Jahre 1348 fegte erstmals eine große Pestwelle über Europa, die schlagartig den weiteren Landesausbau zum Erliegen brachte und in manchen Teilen Europas die Bevölkerung bis zu 70% verminderte. In regelmäßigen Abständen flackerten seither Pestepidemien auf. Besonders verheerend war die Epidemie der Jahre 1409 und 1410 im nördlichen Burgenland und im Wiener Becken. Zusätzlich verringert wurde die Bevölkerung durch die ständigen Grenzfehden des 14. und 15. Jahrhunderts.
Infolge des Bevölkerungsverlustes und der dadurch geschrumpften Nachfrage nach Getreide, bei gleichzeitiger Steigerung der Hektarerträge, kam es in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zu einer Überproduktion und damit zu einem Zusammenbruch der Getreidepreise. Weniger Menschen bedeuteten auch weniger Arbeitskräfte. Daher stiegen die Löhne im Spätmittelalter an und die Bevölkerung konnte sich mehr leisten. Die geringwertigen Ackerstandorte wurden aufgegeben.
Allein in Nickelsdorf befinden sich vier Siedlungen, die im Verlauf der spätmittelalterlichen Agrarkrise aufgegeben wurden. Einer dieser Orte war das schon vorhin erwähnte Fischerdörfel, dessen Standort durch den Riednamen “Alte Dörfer” zwischen Leitha und Ostbahn eindeutig geklärt ist. Es lag auf einer schwachen, plateauförmigen Erhebung, die nach den Geländeformen einst auf einer Insel der Leitha lag. Der südliche Arm dieses Gerinnes umfaßte das Alte Dorf entlang einer Linie, die beim Oberen Bahnübergang anfing und an der Grenze zwischen Pfarrwiese und Bruckbühel Richtung Osten floß. Im Bereich des Lagerhauses und des Bahnhofs war dieses Gerinne noch bis in die 60er Jahre erkennbar. Mit dem Ausheben des Neuen Kanals im 19. Jahrhunderts und dem Eisenbahnbau um 1855 dürfte dieser Leithaarm endgültig trockengelegt worden sein. Der nördliche Rand wurde markiert durch den Bruckbühelgraben und die östlich davon liegende Leithaschlinge. Hier in diesem Bereich befand sich auch der letzte Rest der Siedlung, der im Zuge der Leitharegulierung verschwand. Es handelte sich um eine kleine Siedlung mit 30 bis 40 Häusern. Die Bewohner verwendeten zum Bau der Häuser römische Ziegel und Steinreste (wahrscheinlich von der Villa auf den Grundäckern). Diese Siedlung war, wie schon erwähnt, in den Quellen nirgends faßbar. Nur der archäologische Befund beweist das frühere Vorhandensein.
Eine ähnliche Lage hatte die zweite Siedlung in den Leithaauen von Nickelsdorf, die Schoßenkirchen genannt wurde. Sie lag in der Ried Zwanzig Mahd und Zwölf Mahd unmittelbar östlich des alten Bettes der Kroatisch oder Kleinen Leitha und war als Angerdorf angelegt worden. Sie bestand aus 20 bis 30 Hofstellen, die von einem Erdwall umgeben waren. Im Norden des Ortes befand sich auf einer leichten Erhebung im Gelände ein kleiner Kirchenbau, der wahrscheinlich von einem Friedhof umgeben war (Knochenreste). In diesem Bereich wurden außerdem noch römische Ziegelreste, die von römischen Bauten hierher gebracht worden waren, und zerbrochene Tonscherben aus dem 13. bis 15. Jahrhundert gefunden.
War es der hohe Wasserstand und die regelmäßigen Überschwemmungen, die die Bewohner von Schoßenkirchen und dem Fischerdörfel spätestens in der spätmittelalterlichen Agrarkrise zum Aufgeben zwangen, so lagen die Hauptursachen für die Verödung der drei anderen mittelalterlichen Orte in der Nähe von Nickelsdorf in der Trockenheit der Böden. Besonders deutlich machte sich der extreme Standort bei zwei Orten bemerkbar, die unmittelbar an den Nickelsdorfer Hotter im Westen und Südwesten anschlossen. Mühldorf wurde erstmals im Zusammenhang mit der Nennung Turdemechs in der Urkunde Königs Ladislaus IV. 1278 erwähnt und gehörte zum Besitz der Zisterzienser in Mönchhof. Die seichtgründigen Paratschernoseme und der tiefliegende Grundwasserhorizont ließen nur geringe Erträge zu, so daß dieser Ort allmählich verödete. Während der Zeit, als Mönchhof kaiserliches Gestüt war (1553 bis 1670), wurde das Prädium der Herrschaft Ungarisch-Altenburg angeschlossen, die auch den Pachtschilling von den ungarischen Ochsenhändlern einnahm. Im 19. Jahrhundert wurde im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft der Friedrichshof errichtet, der nach dem Tode des Namensgebers 1936 parzelliert und verkauft wurde.
Ähnlich verhielt sich die Situation in dem etwas weiter südöstlich gelegenen Ort Zatschen (Zechun), der 1318 erstmals urkundlich erwähnt worden war und ebenfalls zum Besitz der Zisterzienser gehörte. Nach der Grenzbeschreibung von 1323 erstreckte sich der Ort über die nördlichsten Teile des Edmundshofes und des Mönchhofer Gemeindewaldes, sowie kleine Teile des Paulahofes und des Zurndorfer Hotters. Auch hier war der extrem trockene Standort Ursache der Verödung.
Durch Funde einiger Hottersteine konnte ein Teil der östlichen Hottergrenze des öden Ortes Potzendorf ermittelt werden. Diese verlief südlich der B 10 entlang der Staatsgrenze bis zu den Saidaäckern und folgte von dort der Riedgrenze, die die Saidaäcker von der Tafel des Kleylehofes trennt. Westlich davon lag der Hotter des Ortes Potzendorf. Dieser Ort wurde ebenfalls im Urbar der Herrschaft Ungarisch-Altenburg um 1556 beschrieben.
Frühe Neuzeit
Wirtschafts- und Sozialstruktur
Am Beginn des 16. Jahrhunderts war die Agrarkrise bereits überwunden, als es durch den Türkeneinfall von 1529 einen neuerlichen Rückschlag gab. In der ersten Bestandsaufnahme im Herbst 1532 konnten die Schäden, die die durchziehenden Soldaten angerichtet hatten, anhand der zerstörten Häuser für Nickelsdorf und das gesamte Komitat aufgelistet werden. Im Komitat Wieselburg wurden 1532 rund 50% der Häuser zerstört oder verlassen, denn im Schnitt wurden pro Dorf 14 Häuser vernichtet. Die Bevölkerung wurde im Jahr 1520 im Komitat auf 6.500 bis 9.000 Personen geschätzt, der Bevölkerungsverlust durch den Krieg belief sich im Komitat Wieselburg auf 3.000 bis 4.000 Menschen.
Doch dieser kurze Rückschlag konnte bald wieder einigermaßen durch die agrarische “Preisrevolution” in der zweiten Hälfte des 16. und in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts wettgemacht werden. Es herrschte eine zunehmende Nachfrage nach Agrarprodukten. Ursache waren der Bevölkerungsanstieg und der Anstieg der Zahl der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung in den Ballungsgebieten. Dies hatte Rückwirkungen auf die Landwirtschaft in Westungarn. Die Agrarprodukte verteuerten sich im Vergleich zu gewerblichen Produkten und zur Lohnarbeit.
Trotz der Türkenkriege wirkte sich diese Situation günstig auf die landwirtschaftliche Bevölkerung aus, denn sie konnte sich rascher von den Schäden erholen. Auch der Adel erkannte diese Situation rasch und versuchte, durch den Ausbau der Eigenwirtschaften, die sich mit Hilfe gesteigerter Fronarbeit oder von Lohnarbeitern bewirtschaften ließen, von der guten Konjunkturlage zu profitieren. Das führte zu einem unverhältnismäßig hohen Anstieg der Robot, von der sich die Bauern der Herrschaft in Nickelsdorf immer wieder freikaufen konnten. Ermöglicht wurde dies durch zusätzliche Einnahmen aus dem Weinverkauf und dem Heuhandel. Die Situation der Bauern in Nickelsdorf wurde zusätzlich erleichtert durch die Tatsache, daß die Herrschaft Ungarisch-Altenburg ein Krongut war (im Besitz des Königs) und von der niederösterreichischen Hofkammer in Wien verwaltet wurde. Die Hauptmannsstelle und sonstige Verwaltungsposten in Ungarisch-Altenburg waren nicht immer besetzt. Die Hotter der verödeten Orte waren als Landesreserve vorhanden, daher wurden die Wirtschaften der Lehnsbauern im Gegensatz zu denen der anderen adeligen Herrschaften vorerst nicht verkleinert, sondern noch erweitert, wie der Vergleich der beiden Urbare von 1546 und 1560 bis 1566 zeigt. Im erstgenannten Jahr hatte ein halbes Lehenshaus in Nickelsdorf 12 Joch Äcker zur Bearbeitung von der Herrschaft inne, nach dem zweiten Urbar bereits 16 Joch.
Handwerk
Handwerksberufe in Nickelsdorf sind bereits seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bekannt. In der Dicaliste der Jahre 1541 bis 1545 wurde ein domus custodis pastores (Hüterhaus der Schäfer) erwähnt. Wo sich dieses Hüterhaus befand kann heute nicht mehr gesagt werden. Vielleicht wurde dieses Haus später zum herrschaftlichen Schäferhof ausgebaut, der in der Fasangasse lag. Erstmals wurde ein Schäfer in der Dicaliste von 1549 genannt. 1572 waren im Ort ein Schäfer, ein Zimmermann und ein Wirtshaus. 1618 kam ein Lehrer hinzu. 1647 wurden 6 Taxenzahler, die in 5 Berufen tätig waren, genannt. Im Jahre 1713 war der Haupterwerbszweig nach wie vor die Landwirtschaft, doch konnten sich etliche Inhaber anderer Berufe in der Dorfhierarchie durchsetzen. Der von der Herrschaft unterstützte Schafmeister Martin Obrecht (später wurde der Name zu Albrecht abgewandelt) wurde schon genannt. Der Zunfthandwerker Paul Kraksner war Schuster (Sutor) und ebenfalls wohlhabend. Desgleichen galt für den Fleischer (Lanio) Johan Czechmeister. Weitere Handwerker waren Andreas Psadn (Cothurnarius – Stiefelmacher), Blasius Hatlak (Pastor – Gemeindeschäfer), Johann Kluker (Vietor – Sattler), Andreas Rotler (Sartor – Schneider), Mathias Stant (Faber Iignario – Zimmerer), Mathias Milner (Schneider), Andreas Csetter (Schneider), Philipp Kraksner (Schuster), Johann Kloiber (Murarius – Maurer), Mathias Kohlnberger (Schuster) und Michael Knoper (faber ferarius – Schmied), der die Gemeindeschmiede gepachtet hatte.
Franzosenkrieg 1809 und ungarischer Freiheitskampf 1848/49
Nach der Niederlage der französischen Truppen bei Aspern am 20. und 21. Mai 1809 besetzten die Franzosen das nördliche Burgenland, um eine Vereinigung der dreigeteilten österreichischen Truppen und deren Donauübergang zu verhindern. Erzherzog Karl stand mit seiner Armee nördlich der Donau. Erzherzog Johann marschierte mit der italienischen Armee über Graz nach Raab (Györ), und auf der großen Schüttinsel wartete das Landesaufgebot aus Ungarn. Dieses Landesaufgebot setzte sich aus schnell einberufenen, waffenfähigen Männern zusammen und war nur mangelhaft ausgerüstet.
Am 14. Juni 1809 erlitten die Österreicher und Ungarn südlich von Raab eine Niederlage, die sie zum Abrücken nach Osten zwang. Nach dem Waffenstillstand zogen sich die Friedensverhandlungen in die Länge. Daher begab sich Napoleon Bonaparte anfangs September 1809 über Kittsee und Nickelsdorf nach Raab. Dabei soll er laut Überlieferung im evangelischen Pfarrhof von Nickelsdorf übernachtet haben. Bis zum Abriß des Pfarrhofs wurde ein Zimmer desselben Napoleonzimmer genannt. Vom 2. Mai bis 11. November 1809 lagen französische Truppen in Nickelsdorf, die wie alle feindlichen Truppen nicht sehr freundlich mit den Einheimischen umgingen. Sie erpreßten von der Gemeinde Kriegskontributionen in der Höhe von 110.720 Gulden und 17 Kreuzer.
Die Entstehung der Gutshöfe
Bereits im 17. Jahrhundert begann ein Prozeß in der Landwirtschaft, der zum Ausbau der grundherrlichen Eigenwirtschaften führte. In der Herrschaft Ungarisch-Altenburg war dies vorerst eine sehr extensive Nutzung durch die Schafzucht. In den Orten mit großen Prädien wurden Schafmeister angestellt. Der erste uns bekannte Schafmeister war der schon erwähnte Martin Obrecht, der 1713 in Nickelsdorf 122 Wollschafe und 51 Zuchtschafe betreute. In dieser Zeit muß auch der Ausbau des Schafflerhofes in der Heulege erfolgt sein. In der Nachbarortschaft Zurndorf befanden sich zu dieser Zeit zwei Schafmeister, Matthäus Fischern, der 184 Schafe betreute und Paul Wayß mit 172 Schafen.
Im Jahre 1735 war in Nickelsdorf der Schafmeister der Herrschaft mit 10 Gulden der Taxenzahler mit den höchsten Steuern. Im Sinne der merkantilistischen Wirtschaftspolitik, deren Grundsätze davon ausgingen, daß möglichst alle Produkte im eigenen Land erzeugt werden sollten, versuchte man ab 1780 die Wollproduktion durch die Einführung spanischer Merinoschafe zu fördern. Die Schafe wurden im Sommer in großen Herden auf die Hutweiden getrieben. Im Winter wurden sie in Ställen gehalten, die am Rande der Ortschaften errichtet worden waren. Hierher mußten die Bewohner auch das Heu und Stroh für die Grundherrschaft abliefern. Im 19. Jahrhundert wurde der Standort der Ställe so gewählt, daß die Entfernung der Schafe zur Weide und die des Mistes zu den Äckern nicht zu weit war.
Doch bald stießen in Nickelsdorf die unterschiedlichen Interessen der Bewohner und der Schafmeister aufeinander. Da dieser die Unterstützung der Grundherrschaft hatte, beklagten sich 1781 die Ortsbewohner in einer Petition an den König. Der Schafmeister kümmerte sich nicht um die Bedürfnisse der Nickelsdorfer und trieb seine Schafe über die ganze Weide, wodurch den Tieren der Nickelsdorfer das Fressen entzogen wurde, “obwohl wir doch vermög eingerichteten sogenannten Urbaria für alle und jedes Viech das Weyd-Geld bezahlen müssen”. Er kümmerte sich auch nicht um die bestehenden Abmachungen, die ihm das Weiderecht im Wiesmaht nur bis zur dritten Woche vor Georgi (um den 1. April) erlaubte. “Endlich, was uns den größten Schaden verursachet, treibet der Schafmeister auch zu Herbst und Winterzeit auf die angebauten Felder, wodurch uns alle Jahre ein nicht geringer Schaden verursacht wird, … über dieses alles hält der Schafmeister noch einmalen so viele Schafe als ihm vermög Kontract zu halten erlaubt sind”.
Die Schafzucht der Herrschaft wurde nach 1820 auf über 30.000 Stück ausgeweitet. Da durch Krankheiten bis zu 20% der Tiere ausfielen, gründete man bereits 1802 eine herrschaftseigene Impfanstalt, in der jährlich bis zu 12.000 Schafe gegen Schafblattern geimpft wurden. Ab 1830 setzte dann eine weitere Intensivierungsphase der Gutswirtschaft ein. Die Schafzucht ging allmählich zurück, die Weiden wurde umgeackert und zur Bodenlockerung mit Getreide und Erdäpfel bebaut. Bearbeitet wurden die Felder noch durch die Robotleistungen der Untertanen.
Als nächster Schritt wurde die Zehnfelderwirtschaft eingeführt. Nun fand man aber mit den normalen Robotleistungen nicht mehr das Auslangen, daher begann man mit der Errichtung von Arbeiterkolonien (Albertkasimir u. a.). Die erste derartige Arbeiterkolonie im heutigen Nickelsdorfer Gemeindegebiet war der 1846 gegründete Saidahof, der zur Zeit der Gründung noch auf Straßsommereiner Hotter lag und erst 1921 dem Nickelsdorfer Hotter einverleibt wurde. Der Name stammt von dem Ort Saia (Sidon) im heutigen Libanon, wo der Erzherzog Friedrich einen Seesieg gegen syrische Seeräuber errang. 10 Jahre nach seiner Gründung bewohnten bereits 360 Einwohner den Gutshof. Seine Lage war etwa einen Kilometer östlich des Kleylehofes an der Landstraße. Im Bereich des Hofes befand sich eine Schule mit dazugehöriger Lehrerwohnung, etliche schilfgedeckte Häuser, sowie ein langgestrecktes Gebäude, das die Saisonarbeiter aus der Slowakei und aus Innerungarn beherbergte. Am Ostrand des Hofes wurde nach der Grenzziehung von 1921 eine Zollwachhütte errichtet. 1938 war ein größeres Zollwachgebäude geplant. Infolge der Kriegsereignisse wurde es allerdings nicht gebaut. Bewohnt war der Hof bis 1947/48. In diesem Winter zogen die letzten sieben Familien nach einer Typhusepidemie auf den Kleylehof. Heute erinnert nur mehr der Friedhof an die ehemalige Meierhofsiedlung.
Das Gebiet des heutigen Kleylehofes wurde bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Neu- oder Nonnbrunn genannt. Der Namensgeber für den Kleylehof war der Güterdirektor der Herrschaft Ungarisch-Altenburg Fritz von Kleyle, der seine erste Berufserfahrung als Verwalter des späteren Kleylehofes sammelte. Der Kleylehof und seine Umgebung gingen in die Literatur ein, denn Studienfreund Fritz von Kleyles war Nikolaus Lenau, der eine Zeit lang in der Landwirtschaftlichen Akademie von Ungarisch AItenburg studierte und hier seine Heidelieder verfaßte.
Der Kleylehof gehörte zur Gruppe der Gutshöfe, wo intensive Rinderzucht betrieben wurde. Nach der Eröffnung der Ostbahn 1855 stellte man auf Milchviehzucht um. Die Milch wurde in eigens entwickelten Kühlapparaten nach Wien gebracht und dort in eigenen Geschäften verkauft. Zur Fütterung und Pflege des Viehs wurden Dauerarbeitskräfte eingestellt, die eine Wohnung und ein “Deputat” erhielten, d. h. rund 75% des Lohnes wurden in Naturalien ausbezahlt. 1857 wurden holländische Milchrassen importiert, doch war ihre Milch, im Gegensatz zu heute, für den Wiener Markt zu fettarm. Daher wechselte man bereits 1868 zu Allgäuer Milchrassen über.
Die beiden anderen Gutshöfe am Nickelsdorfer Gemeindehotter entstammen einer späteren Zeit.
Zwischenkriegszeit
Die Anschlußwirren (1919 bis 1921)
Nach 1867 setzte in Ungarn eine verschärfte Magyarisierung ein. Getragen wurde diese in den Dörfern Westungarns von der Intelligenz, den Pfarrern, Lehrern und den Ortsnotaren, sowie den Großgrundbesitzern.
In Nickelsdorf waren die Verfechter der Magyarisierung die Pfarrer Czimmerman (ursprünglich Zimmermann) und Halmosy (ursprünglich Hahn) und der Notar Ludwig Fazekas (1899 bis 1918), der in einer fast rein deutschsprachigen Gemeinde Notar war, und dem, wie er selbst erklärte, die deutsche Sprache nicht ganz geläufig war.
Die Unterrichtssprache durfte ab 1907 nur mehr Ungarisch sein. Der Unterricht in der Minderheitensprache wurde auf zwei Wochenstunden beschränkt. Einer der Hauptgründe, warum die Burgenländer in der Zwischenkriegszeit als rückständig galten, war der, daß sie ihre Muttersprache nicht ausreichend gut schreiben konnten, weil sie in der Schule das ungeliebte Ungarisch erlernen mußten. Amtliche Schriftstücke wurden ab 1880 nur mehr in Ungarisch verfaßt.
Nach dem Ende des ersten Weltkrieges kam der große Rückschlag für die Anhänger der Magyarisierung. Die Pfarr- und Gemeindeprotokolle wurden mit Dezember 1918 wieder in Deutsch geführt, im Schulunterricht wurde wieder die deutsche Unterrichtssprache in Nickelsdorf eingeführt.
Die Vertreter von Nickelsdorf und den umliegenden Gemeinden kamen im Jänner 1919 in Straßsommerein zusammen und erklärten einstimmig, daß sie für den Anschluß an Österreich eintreten. Die von Ungarn vorgeschlagene Autonomie wurde nach einigem Zögern als zu gering abgelehnt. Die sechs Monate der kommunistischen Räteregierung (März bis September 1919) trieben die Bauern noch mehr ins Lager der Österreicher, obwohl die KP der besonderen nationalen Lage Westungarns Rechnung trug und die deutsche Sprache als Amtssprache in der Schule und bei der Behörde wieder gestattete.
Das Burgenland, wie man Westungarn seit 1919 bereits nannte, sollte nach Abschluß eines Friedensvertrages mit Ungarn an Österreich abgetreten werden. Die Abtretung zog sich allerdings noch zwei Jahre hin. Laut Vertrag von Trianon sollten österreichische Gendarmerie- und Zollbeamte das Burgenland ab dem 20. August 1921 besetzen. Im Neusiedler Bezirk erreichten die Beamten einen Tag später Nickelsdorf und damit die vorgesehene Demarkationslinie. Die Freischärler, die nur auf den großen Gutshöfen, wo vorwiegend magyarische Bevölkerung lebte, stationiert waren, zogen sich kampflos nach Straßsommerein und Ragendorf zurück. Da aber im mittleren Burgenland der Widerstand der Freischärler sehr heftig war, wurden die österreichischen Beamten wieder über die alte Landesgrenze zurückbeordert.
Nun begann eine Zeit der Unsicherheit und Drangsalierung. Die begüterten Anhänger des Anschlusses mußten untertauchen. Die Bevölkerung mußte die Freischärler, denen sich zwielichtige Personen angeschlossen hatten, versorgen und mit Pferdefuhrwerken versehen. Eine dieser Freischärlergruppen kehrte im Gasthof Dörner ein und ließ sich vom Wirt verpflegen. Aber statt zu bezahlen, drohten sie mit Handgranaten und entschwanden durch das Gassenfenster des Gasthauses. Die in der Zwischenzeit alarmierte freiwillige Ortsfeuerwehr erschien erst nach der Flucht der Freischärler Richtung Straßsommerein und sandte ihnen einige Schüsse nach.
Wirtschaftlicher Fortschritt und technische Neuerungen
Bereits 1852 war die Gemeinde Nickelsdorf per Erlaß von der Preßburger Statthalterei aufgefordert worden, Grund für die Errichtung einer Obstbauschule zur Verfügung zu stellen. Aus unbekannten Gründen kam dieses Vorhaben nicht zur Durchführung. Erst 1902 wurde am westlichen Ortsausgang (Obere Hauptstraße 54) eine Bauernschule errichtet, wo in den Wintermonaten Fortbildungskurse organisiert wurden. Im Ersten Weltkrieg kam die Kurstätigkeit zum Erliegen.
Nach 1921 wollte man das Niveau der burgenländischen Landwirtschaft wieder durch das Betreiben von Bauernschulen heben. Der damalige Direktor der Landwirtschaftskammer, Ing. Sylvester, forcierte die Errichtung der Bauernschulen in Nickelsdorf und in Jormannsdorf. Im Herbst 1927 wurde der Betrieb eröffnet. Aufgenommen wurde jeder Burgenländer, der das 16. Lebensjahr überschritten hatte. Das Schulgeld betrug 30 Schilling (Unterrichtsgeld 10 Schilling, Einschreibgebühr 20 Schilling). Es bestand aber die Möglichkeit ein Stipendium der Landwirtschaftskammer in Anspruch zu nehmen.
Die auswärtigen Schüler wurden bei Nickelsdorfer Familien untergebracht und verköstigt. Dafür mußten 50 Schilling an Verpflegungsgeld monatlich bezahlt werden. Um die Praxis nicht zu kurz kommen zu lassen, hatte die Landesregierung 35 Joch Grund von der Urbarialgemeinde als Musterwirtschaft gepachtet. Im Unterricht wurde die theoretische und praktische Ausbildung in Viehpflege, Melken, Milchbehandlung und – untersuchung, Butter- und Käseerzeugung, Klauenpflege, der Anwendung aller in einem landwirtschaftlichen Betrieb der damaligen Zeit vorkommenden Maschinen und Geräte, im Baumschnitt, der Schädlingsbekämpfung im Obst- und Weinbau, Veredeln und in allen Arbeiten der Kellerwirtschaft durchgemacht. Direktor Ing. Kromer und Ing. Csecselits wirkten als Lehrer an der Schule. In den fünf Jahren ihres Bestehens besuchten 182 Schüler die Bauernschule, darunter auch einige Nickelsdorfer.
Im Jahre 1932 wollte die Burgenländische Landesregierung den von der Urbarialgemeinde gepachteten Grund für die Bauernschule ankaufen. Der damalige Vorstand lehnte einen Grundverkauf aber kategorisch ab. Daher wurde die Schule mit dem Ende des Jahrganges 1932 geschlossen, nach Rust am See verlegt und dort eine Weinbaufachschule errichtet.
Die 1913/14 durchgeführte Kommassierung hielt die Grundbesitzer von Nickelsdorf bis 1931 in Atem. Viele Grundbesitzer mußten zu Beginn des Krieges 1914 einrücken und konnten daher beim Abschluß der Grundzusammenlegung nicht dabei sein. So kam es bei der Aufteilung zu Ungleichheiten bis zu 30 Joch. Noch vor dem Anschluß an Österreich im Jahre 1921 wurde diese Tatsache von einem Gericht in Györ festgestellt. Da eine Richtigstellung wegen des Anschlusses an Österreich unterblieb, wurde nach einer Anfrage der Großdeutschen im Landtag beschlossen, die Grundzusammenlegung in Nickelsdorf durch eine Kommission zu überprüfen. Das Urteil des Fachmannes über die Kommassierung von 1913 war vernichtend. Er schlug eine Überarbeitung im Sinne der Betroffenen vor. Obwohl viele Besitzer Grund verloren hatten, mußten sie die Steuern 16 Jahre lang nach dem alten Besitzstand zahlen, da die Zusammenlegung grundbücherlich nicht durchgeführt worden war. Dies behinderte auch den Grundverkehr, da man keinen Acker verkaufen konnte.
Im Jahre 1930 wurde der Fall der Kommassierung in Nickelsdorf sogar in der Fragestunde des Parlaments behandelt. Danach kam Bewegung in die Dinge. Ein neues Operat wurde erstellt, das die gröbsten Ungerechtigkeiten ausmerzte. Vom 8. August bis zum 6. September 1932 hing der Plan der Grundzusammenlegung im Gemeindeamt aus und wurde nach Behandlung der Einsprüche grundbücherlich durchgeführt.
Mit dem Anschluß an Österreich begann vorerst eine neue Gründerzeit in Nickelsdorf. Zur Zeit der Inflation konnten die Bauern durch die Abgabe von Lebensmittel an die hungernde Stadtbevölkerung Gewinne machen. Diese Gewinne wurden in die Mechanisierung der Landwirtschaft gesteckt. Erste landwirtschaftliche Maschinen waren schon im 19. Jahrhundert auf dem Markt.
Der Nickelsdorfer Schlosser Paul Müllner baute eine Sämaschine (Müllnermaschine). Mitte der 20er Jahre fuhr der erste Traktor im Dorf. Dieses Ungetüm wurde vom damaligen Pächter des Gemeindewirtshauses, Konstanzer, angeschafft. Ein Traktor kostete damals je nach Fabrikat zwischen 5.000 und 7.000 Schilling. Der Verbrauch lag beim Tiefackern bei ungefähr 12 Liter Petroleum pro Joch.
In den 20er Jahren bestanden 7 Druschgenossenschaften im Ort. Üblicherweise hatten zwei bis vier Bauern eine Dreschmaschine. Zusätzlich gab es noch eine Genossenschaft der Kleinhausbesitzer, die nach ihren 32 Miteigentümern “harminc kettes” (ungarisch für die Zahl 32) genannt wurde.
Die Nickelsdorfer Bevölkerung konnte 1925 die Schließung der Bahnstation gerade noch verhindern. Dies wäre ein großer Schaden für die Bevölkerung gewesen. Einerseits weil es schon Pendler gab, die zur Arbeit fuhren, andererseits weil mit der Bahn die Frischmilch nach Wien gebracht wurde.
Am 16. Jänner 1926 wurde das zweite Gleis der Bahnlinie Wien-Straßsommerein eröffnet. Der Sommerfahrplan des Jahres 1927 brachte für die Nickelsdorfer nur Nachteile, da der letzte Zug in Richtung Wien bereits um 19:20 Uhr losfuhr und dadurch die Kühe bereits um 16:00 Uhr gemolken werden mußten. Ein Großteil der Milch wurde sauer und verdarb. Nach Protesten der Bevölkerung blieb ein um 20:30 Uhr fahrender Güterzug in Nickelsdorf stehen und nahm die für Wien bestimmte Frischmilch mit. Die anfallenden Kosten von 1.000 Schilling konnte die Gemeinde nicht aufbringen, daher wurde dieser Betrag den Milchlieferanten in Rechnung gestellt.
Nachdem erste Versuche der Sozialdemokraten, durch die Gründung von Milchgenossenschaften größere Milchmengen für den Konsum aufzutreiben, scheiterten wurde 1927 tatsächlich eine solche gegründet. Seit dem Ende der 60er Jahre wurde die Milchwirtschaft unrentabel.
Die NS-Zeit in Nickelsdorf 1938-1945
Schneller als in anderen Gemeinden konnte die Nationalsozialistische Partei in Nickelsdorf Fuß fassen. Neben den bereits bekannten Gründen wie die Aufwärtsentwicklung in Deutschland, Anschlußbegeisterung, Aussicht auf Arbeit, Propaganda usw. spielte die religiöse Trennung im Ort in Katholiken und Protestanten eine Rolle. In der evangelischen Kirche sah man in Deutschland das Mutterland der Reformation. Ein Anschluß an Deutschland würde auch die zahlenmäßig kleine evangelische Kirche in Österreich stärken. Die Evangelischen waren in den 20er Jahren in Nickelsdorf auch die typischen Wähler des Landbundes und der Großdeutschen, die in ihren Parteiprogrammen den Anschlußgedanken aufrecht hielten. An diese Ideen schloß die NS-Ideologie an. Dazu kam, daß in der Zeit des Ständestaates die Evangelischen mit wenigen Ausnahmen aus dem politischen Leben verdrängt wurden. Daher erhielt die NSDAP bei den letzten freien Nationalratswahlen im Jahre 1930, wo sie das erste Mal kandidierte, in Nickelsdorf 22 Stimmen (Österreich 100.000 Stimmen).
Ab dem Jahr 1931 traten verschiedene Nickelsdorfer der NSDAP bei. Beim Verbot der Partei im Jahre 1933 hatte sie 10 Mitglieder (Michael Hutfleß, Andreas Hutfleß, Andreas Liedl, Paul Rosenberger, Paul Weiss, Paul Rumpeltes, Matthias Amri, Paul Hutfleß, Martin Nitsch, Johann Nitsch). Im April 1931 wurde die SA (Sturmabteilung) gegründet, die 12 Mitglieder hatte.
Am 1. Mai 1934 machten sich die Nationalsozialisten durch das Abbrennen von Hakenkreuzfeuern nachhaltig bemerkbar. In illegalen Zeitungen und Flugschriften wurden die Repräsentanten der Vaterländischen Front verhöhnt und krimineller Handlungen beschuldigt. Einer dieser Vorwürfe war gegen den Direktor der Bauernschule gerichtet, der 50.000 Schilling Wiesenumbruchsprämie zur Auszahlung erhalten und widmungsfremd für den Bau eines Milchhauses verwendet hätte. Ihm wurde auch vorgeworfen, schuld an der Schließung der Bauernschule in Nickelsdorf zu sein.
Nach dem Verbot der NSDAP ging man mit scharfen Maßnahmen gegen illegale Nationalisten vor. Die nach Deutschland zur “österreichischen Legion” geflohenen Nickelsdorfer Johann und Martin Nitsch, Paul Pahr, Georg Baldauf, Matthias Rumpeltes und Ferdinand Hörmann verloren die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Schlossermeister Stürzinger, der “serbische Leutnant” Schmid, die Landwirte Paul Liedl, Matthias Dürr und Lorenz Unger wurden bei “bei der Lektüre verbotener Zeitungen und dem Abhören reichsdeutscher Radiosendungen” verhaftet.
Im Jahre 1937 brannten unbekannte Täter am Geburtstag Hitlers ein Hakenkreuzfeuer ab. Am 2. November desselben Jahres wurden im Hofe des Bürgermeisters Matthias Lang und im übrigen Gemeindegebiet illegale Flugblätter gestreut, worin er als Schmuggler bezeichnet und der Ablieferung von Getreide, das mit Steinen versehen war, verdächtigt wurde. Am 5. November 1937 wurden illegale Flugblätter an den Gendarmerieposten Nickelsdorf gesandt, in denen der Bundeskanzler, der Landeshauptmann und die Vaterländische Front angegriffen und Anordnungen der vorgesetzten Behörde als gesetzeswidrig bezeichnet wurden.
Am Abend des 11. März 1938 hatten die Nationalsozialisten ihr Ziel erreicht. Die Regierung Schuschnigg war zurückgetreten und hatte einer NS-Regierung Platz gemacht. Am 12. und 13. März wurde die Besetzung Österreichs und der darauffolgende Anschluß in Nickelsdorf mit einem Fackelzug und dem Verbrennen einer Puppe als Symbol der alten Macht gefeiert. Alle Vereine der Vaterländischen Front wurden aufgelöst, ihre Einrichtungen und ihr Vermögen beschlagnahmt. Bürgermeister Matthias Lang wurde verhaftet und 14 Tage lang in Neusiedl am See inhaftiert. Die sonstigen Spitzenfunktionäre der Vaterländischen Front wurden ins Zollhaus eskortiert und dort verhört. Ludwig Nyeki wurde als Schulleiter entlassen, ebenso der Amtmann Josef Wedra. Die konfessionellen Schulen wurden geschlossen und durch eine staatliche Volksschule ersetzt. Bei bekannten Sozialdemokraten wurden Hausdurchsuchungen gemacht, wobei es in einigen Fällen zu Übergriffen kam. Das einzige jüdische Geschäft des Ortes wurde arisiert. Dem Inhaber und seiner Familie gelang vorerst die Flucht.
Die Macht im Ort übernahmen die Spitzenfunktionäre der NSDAP, der Ortsparteiobmann, der NS-Bürgermeister und der Ortsbauerführer. Von 1938 bis 1942 war Johann Weidinger Bürgermeister im Ort, Ortsbauernführer war Andreas Hutfleß, Ortsparteiobmann war seit 1943 Julius Schmaldienst, der Leiter der Volksschule.
Im ersten Moment brachte die “neue Zeit” für etliche Leute Verbesserungen. Die Bauern wurden entschuldet und erhielten höhere Preise für ihre Produkte. Die Arbeitslosigkeit wurde durch Abwerbung in die Rüstungsindustrie und Einberufung zur Deutschen Wehrmacht gesenkt. Erst nach der Volksabstimmung vom 10. April 1938, die in Nickelsdorf so wie in fast allen Ortschaften des Bezirkes ein 100%iges Ergebnis für den Anschluß brachte, begann man zu ahnen, worauf Hitler hinauswollte.
Ein Opfer des Anschlusses wurde Ing. Hans Sylvester, der mit dem ersten Prominententransport ins KZ Dachau gebracht und dort im Jänner 1939 ermordet wurde. Um politische Demonstrationen gegen das NS-Regime zu vermeiden, durften beim Begräbnis in Nickelsdorf nur die engsten Familienangehörigen anwesend sein. Das Grab wurde einige Tage von der SS überwacht.
Noch im Jahre 1938 wurde begonnen, die Bundesstraße von der Staatsgrenze Richtung Zurndorf zu asphaltieren. Damit wollte Hitler im Kriegsfall einen schnelleren Aufmarsch in Richtung Ungarn und Jugoslawien erreichen.
Im Herbst 1938 wurde das Burgenland aufgelöst. Der Bezirk Neusiedl am See wurde dem Kreis Bruck an der Leitha im Reichsgau Niederdonau angeschlossen. Zum Kreisbauernführer wurde der Nickelsdorfer Ortsbauernführer ernannt.
Im Sommer 1943 verspürte man in Nickelsdorf erstmals den Schrecken des Krieges hautnah. Eine bei Preßburg (Bratislava) angeschossene “Fliegende Festung” (US-Liberator Bomber) lud ihre Bomben im Notwurf über Nickelsdorf ab. Die Bombentrichter sind heute noch in der Ried Alte Hölzer-Überteilung zu sehen.
Ab dem Sommer 1944 mehrten sich die Zeichen für die Niederlage der Deutschen. Am 5. September 1944 und im Dezember darauf wurde der Bahnknotenpunkt Hegyeshalom bombardiert. 13 deutsche Soldaten, die damals ums Leben kamen, wurden auf dem Friedhof von Nickelsdorf beerdigt (Kriegerdenkmal).
Spätestens seit dem Herbst 1944 wußte die Bevölkerung von Nickelsdorf, welches Schicksal die Juden im Dritten Reich erlitten. In langen Kolonnen wurden ungarische Juden zum Bau des Ostwalls durch Nickelsdorf getrieben. Eines dieser Opfer war eine gebürtige Nickelsdorferin.
Ab Oktober 1944 riß der Flüchtlingsstrom durch Nickelsdorf nicht mehr ab. Volksdeutsche und die Verbündeten der Deutschen aus Osteuropa zogen auf der Flucht vor der Roten Armee Richtung Westen.
Da Nickelsdorf im Vorland des Ostwalls lag, wurde beim Näherrücken der Front im März 1945 die Bevölkerung zur Flucht aufgefordert. Zwischen Palmsonntag und Gründonnerstag 1945 (25. bis 29. März) verließen etwa 50% der Bevölkerung den Ort und zogen nach Westen.
Der bei der Kreuzlacke angelegte Panzergraben konnte die Rote Armee nicht aufhalten. Am Ostersonntag, den 2. April 1945, gegen 5:00 Uhr früh, ritten zwei sowjetische Soldaten die Hauptstraße entlang und bauten beim Haus den Lorenz Haidvogel einen Feldfernsprecher auf. Kurz danach marschierten die Kampftruppen der 46. Armee in Nickelsdorf ein. Da die Reste der 2. SS-Panzerdivision im Raum Parndorf/Annakapelle-Gattendorf Widerstand leisteten, wurden in der Akaziengasse Stalinorgeln (Raketenwerfer) in Feuerstellung gebracht. Gegen Nachmittag begann in einer endlosen Kolonne der Troß durchzuziehen. Diese Soldaten waren auch für die Übergriffe in den nächsten Tagen verantwortlich. Dabei kamen rund 10 Menschen ums Leben.
Der Widerstand
Die strengen Kontrollen und Überwachungen erlaubten nur kleinere Widerstandshandlungen gegen das NS-Regime, die vor allem in der Gründung verbotener Gruppen bestanden. Eine dieser Gruppen entstand im Bereich Nickelsdorf-Zurndorf aus Anhängern der Sozialdemokratischen und Kommunistischen Partei. Der Kopf der Gruppe war der ehemalige SD-Bürgermeister von Zurndorf, Johann Dürr, dem es gelang, unter den Eisenbahnern und Wehrmachtsangehörigen eine Gruppe aufzubauen und Kontakte zu KP-Funktionären in Wien herzustellen. Die Gruppe wurde 1942 verhaftet, weil sie geheime Zusammenkünfte zur Gründung einer KP-Zelle abgehalten und Mitgliedsbeiträge bis 2 Reichsmark pro Person und Monat kassiert hatte. Angeklagt wurden Franz Netuschill, Josef Müllner, Michael Hörmann, Paul Weiss, Paul Rumpeltes und Adam Weiß. Sie wurden wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu ein bis fünf Jahren Zuchthaus und anschließend Arbeitslager (KZ) verurteilt.
Paul Hutfleß wurde am 14. März 1938 von der Gestapo verhaftet und vom 2. April 1938 bis zum 10. November 1942 in den KZs Dachau und Flossenbürg in Schutzhaft gehalten. Der aus Nickelsdorf stammende Angestellte der Burgenländischen Landwirtschaftskrankenkasse Andreas Thüringer wurde am 19. März 1938 verhaftet und während der Fahrt von Wien nach Linz von der Gestapo ermordet.
Bereits das Erzählen eines politischen Witzes, das Verächtlichmachen der NSDAP, ihrer Funktionäre oder Mitglieder, konnte eine Anklage nach dem Heimtückegesetz nach sich ziehen. Der Landarbeiter Georg Stürzinger wurde wegen dieses Paragraphen am 26. August 1943 zu zwei Jahren Gefängnis in Marburg an der Drau verurteilt.
Im Jahre 1943 wurden einige ältere Jahrgänge aus Nickelsdorf assentiert. Nach der Musterung warf Jakob Fischer ein Viertelglas auf ein Führerbild. Sofort nach seiner Rückkehr nach Nickelsdorf wurde er als KP-Sympathisant verhaftet. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.
Der dynamische Wandel nach 1945
Um das Chaos nach dem Ende des Krieges in geordnete Bahnen zu lenken, wurde am 8. April 1945 Rudolf Juno von den Sowjets als Bürgermeister eingesetzt, und eine provisorische Ortswache aus nicht belasteten Personen aufgestellt. Die Mitglieder der NSDAP, die nicht geflohen waren, wurden zu Aufräumungsarbeiten eingeteilt. Sie mußten den Panzergraben am östlichen Ortsrand zuräumen. Nach einem Monat wurde Matthias Lang provisorischer Bürgermeister, der 1947 von Andreas Roth abgelöst wurde.
Lag die Gemeinde bei überörtlichen Wahlen immer im Bundestrend, so sorgten die ersten Gemeinderatswahlen nach dem Krieg für Überraschungen. Die ÖVP erhielt um fünf Stimmen mehr als die SPÖ und stellte damit mit Franz Scherhaufer für vier Jahre den Bürgermeister. 1954 konnte die SPÖ zwei Mandate dazugewinnen und stellte von nun an den Bürgermeister. Andreas Roth hatte bis 1966 und Johann Weiss bis 1972 das Amt inne. Innerparteiliche Schwierigkeiten vor den Gemeinderatswahlen 1972 führten zu Stimmenverlusten der SPÖ. Die gemeinsam mit einer Namensliste kandidierende FPÖ konnte davon profitieren und 20% der Stimmen gewinnen. Gemeinsam mit der ÖVP stellte sie nun die Mehrheit und verhalf der ÖVP zum Bürgermeistersessel. Neuer Bürgermeister wurde Ing. Alfred Nachnebel. Bei den Wahlen von 1977 brachten ÖVP, FPÖ und eine Namensliste einen gemeinsamen Wahlvorschlag ein und schafften knapp die Mehrheit. Da Bürgermeister Ing. Alfred Nachtnebel bei den Wahlen 1982 nicht mehr zur Verfügung stand, erlitt die Wahlgemeinschaft eine deutliche Niederlage und Bürgermeister wurde Gerhard Jocham von der SPÖ. Dieses Amt behielt er bis er im Jahre 1996 von Ing. Gerhard Zapfl (SPÖ) abgelöst wurde.
Die Änderung der politischen Verhältnisse ging konform mit dem Strukturwandel seit dem Ende des zweiten Weltkrieges. Von den 1.050 Berufstätigen des Jahres 1951 waren noch 743 (70,8%) in der Landwirtschaft tätig. Die übrigen Beschäftigten konzentrierten sich auf das verarbeitende Gewerbe (76 Personen), das Bauwesen (70 Personen) und den Dienstleistungssektor (63 Personen).
Gegenüber 1951 nahm die Zahl der Berufstätigen bis 1961 um 9,05% auf 955 Personen ab, die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten verringerte sich im selben Zeitraum auf 518 oder um 30,3%. Bis 1971 nahm die Zahl der Beschäftigten weiter um 24,4% ab, die Abwanderung aus der Landwirtschaft erreichte mit 48,7% ihren Höhepunkt. Von 1971 bis 1981 verringerte sich die Zahl der Beschäftigten noch einmal. In diesem Jahr wurden nur mehr 456 Berufstätige gezählt. Dies bedeutet ein Minus von 36,7%. Der Rückgang erfolgte in allen Branchen. Besonders deutlich war der Rückgang bei den Maurern von 85 auf 7 Personen und beim verarbeitenden Gewerbe von 147 auf 22 Personen.
Die Abwanderung aus der Landwirtschaft ging einher mit der Auflösung der Großfamilie. Lebten im traditionellen Haushalt der Vergangenheit oft bis zu drei Generationen unter einem Dach, so werden heute die Häuser durchschnittlich nur mehr von 2 bis 3 Personen bewohnt.
Die Öffnung der Grenzen zum ehemaligen Ostblock 1986, brachte für Nickelsdorf den letzen großen Veränderungsschub. Das Ortsbild wurde durch das Eröffnen einer Reihe von Geschäften verändert. Leerstehende Häuser entlang der B10 wurden in Geschäftslokale (Verkauf von Elektroartikel) umgewandelt. Ungarische Staatsbürger stürmten diese Geschäfte, um ihren Nachholbedarf an westlichen Konsumgütern zu befriedigen. Nachdem diese Befriedigung einigermaßen erlangt war, und einhergehend mit der Fertigstellung der Ostautobahn (A4) bis zur ungarischen Grenze, schlossen sämtliche Geschäfte wieder ihre Pforten, so rasch wie sie eröffnet wurden.
In diesem Zusammenhang wird uns bewußt, daß das Dorf und seine Bewohner im Laufe der Zeit einem ständigen Wandel unterliegen. Geschichte ist es wert dokumentiert und überliefert zu werden, als Erinnerung und Erfahrungsschatz derer die sie erfahren haben und als Lehrmittel für uns alle, die wir jeden Tag Geschichte machen und neu erleben.
Quelle: Geschichte der Gemeinde Nickelsdorf – 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Nickelsdorf
Herausgeber und Verleger: FF Nickelsdorf, 2425 Nickelsdorf
Redaktion: Mag. Peter Limbeck
Druck: Rötzer-Druck Ges mbH & Co KG, 7000 Eisenstadt, Mattersburger Straße 25